Folker! - Das Magazin für Folk, Lied und Weltmusik - 01/2002 - Januar-Februar
"Wenn die Welt Krieg führt, müssen wir mehr Musik machen!"
Luka Bloom
Irischer Barde auf Tournee in Deutschland
Von großen Major-Plattenfirmen mag Luka Bloom seit geraumer Zeit nicht mehr viel wissen.
Ins neue Millennium startete der inzwischen 46-jährige irische Singer/Songwriter und
Gitarrist mit einer Veröffentlichung auf dem kleinen, aber feinen Hamburger Skip-Label.
Ausschlaggebend für diesen Wechsel waren Luka Blooms Erfahrungen mit Branchenriesen
wie Sony Music, die zuletzt seine CD "Salty Heaven" veröffentlichte, ohne dafür
jedoch einen Finger krumm zu machen, um das "Produkt" auch unter die Leute zu bringen.
"Ein absoluter Alptraum", erinnert sich Luka Bloom im Interview
anlässlich der Vorstellung seiner neuen CD "Between The Mountain And The Moon"
an die eigentümliche Anti-Marketing-Politik des Unternehmens. Unter den Fittichen von
Skip-Macher Bernd Skibbe fühlt sich der Ire heute pudelwohl.
Nachdem er für das Label mit "Keeper Of The Flame" zunächst eine CD mit elf
Cover-Songs einspielte, u.a. von Joni Mitchell, U 2, Bob Dylan, Abba und Bob Marley,
hat Bloom sein neues Werk, mit dem er im Februar in Deutschland auf Tournee
sein wird, ebenfalls bei der Hamburger Independent-Firma veröffentlicht.
Angefangen hat Luka Bloom, mit bürgerlichem Namen Barry Moore, Bruder von Irlands
großem Volkssänger Christy Moore, als Folkie und Gitarrenpicker. Nach drei
Langspielplatten und zahllosen Auftritten führte eine Verletzung am rechten Arm zu
einer vollständigen Veränderung seines Gitarrenstils. "Meine Art,
Gitarre zu spielen, ist jetzt vielleicht weniger interessant, aber es führte dazu,
mich stärker meiner Seite als Singer/Songwriter zuzuwenden", meint Luka
Bloom zu seinem heute bisweilen perkussiven Gitarrenspiel, das bereits 1990 auf
seiner Debüt-CD unter dem Pseudonym Luka Bloom deutlich zum Ausdruck kam.
"Riverside" enthielt mit Titeln wie "Delirious" nicht nur
spätere Konzert-Dauerbrenner; solche Songs markierten zugleich auch
ein modernes, urbanes Verständnis von Folkmusik: Rockige Rhythmen
und Grooves, solo dargeboten von einem temperamentvoll agierenden Iren,
der mit akustischen Interpretationen von Rap-Nummern oder von Elvis Presley
ein undogmatisches Folkverständnis unter Beweis stellte. Luka Bloom,
der seinen Künstlernamen Suzanne Vegas Kinderlied "Luka"
und der Romanfigur von Irlands Nationalhelden James Joyce, "Molly
Bloom" entlieh, ist dennoch nach wie vor ein gern gesehener Gast auf fast
jedem renommierten Folk-Festival zwischen Tøndern und Melbourne.
Nach seinem Besuch in Deutschland wird es Luka Bloom im März für eine
ausgiebige Tournee nach Australien ziehen. Auch dort will er seine neue CD
vorstellen, die auf bemerkenswerte Weise von einfachen Menschen inspiriert
wurde und von deren kleinen und großen Geschichten erzählt. Sie handelt
von jenen "Helden", die Luka Bloom zufolge nicht im Rampenlicht der
Öffentlichkeit stehen, sondern "täglich kämpfen und überleben,
einfache Leute, die ihre Familie durchbringen, die lieben, lachen und trotz aller
Probleme innerlich nicht verhärten". In Hamburg präsentierte Luka
Bloom im Herbst vergangenen Jahres sein neues Werk vor einem geladenen
Medien-Publikum ausgerechnet im sphärisch anmutenden
Planetarium der Hansestadt.
Angesichts des dabei möglichen freien Blicks auf das Firmament habe er sich
"vom Universum geschützt" gefühlt. Gefragt, ob er denn
auch die Sterne wirklich gesehen habe, antwortete Luka Bloom ebenso
schlagfertig wie amüsiert: "Ich sehe überall Sterne..."
~Michael Tiefensee
www.folker.de/200201/bloom.htm
Die Welt am Sonntag - Hamburg Feuilleton - 15.02.2002
Mut zur Lücke - Die Hörer übernehmen den Rest
Der Songpoet Luka Bloom lädt heute ins Audimax
Über den Wolken kann die Langeweile grenzenlos sein. Abwechslung und Zerstreuung, sagt man,
bleiben unter ihnen verborgen, und was von unten großartig und spannend erscheint, entpuppt
sich plötzlich als fade und klein. Der Sitz wird immer unbequemer, und stoisch dröhnen die Motoren.
Doch als Barry Moore vor rund fünfzehn Jahren in einem Flieger nach New York saß, wird er von
der bleiernen Monotonie, die Passagiere eines Transatlantik-Fluges üblicherweise wie eine
Zwangsjacke im Griff hat, nicht viel bemerkt haben. Schließlich hatte der Mann aus dem
irischen Newbridge etwas zu tun - er musste sich einen neuen Namen überlegen. Stunden
später betrat er den Flughafen JFK und hatte es geschafft. The artist formerly known
as Barry Moore hieß nun und fortan Luka Bloom.
Den Künstlernamen legte der Songwriter sich unter anderem deshalb zu, weil er aus dem
Schatten seines berühmteren und ebenfalls musizierenden Bruders Christy Moore treten
wollte. Außerdem hatte er etwas gegen die Schublade, in der er zu verkümmern drohte.
Wenn ein Ire zur Gitarre greift, ist die Gefahr tatsächlich groß, dass er für einen dieser
typischen Folk-Sänger gehalten wird. Im Geiste durchstöberte Moore, pardon Bloom,
deshalb Plattenkisten und Bücherregale, bis er auf zwei passende Namen stieß.
"Luka" hieß Suzanne Vegas großer Hit, und Leopold Bloom erlebt in James
Joyces Roman "Ulysses" einen furchtbar langen Tag. Das Pseudonym sei eine weiße
Leinwand, auf die man alles mögliche projizieren könne, sagt Luka Bloom. "Wenn
die Leute meinen Namen hören, fragen sie sich, was ich eigentlich mache: Ist es Folk, ist
es Pop, ist es Jazz?"
Literaturwissenschaftler sprechen in solchen Fällen von Leerstellen. Der Leser muss die
Lücken im Text ergänzend füllen, damit sich ein Sinn ergibt. Auch Luka Bloom
spielt gern mit diesem Stilmittel - nicht nur bei der Wahl seines Künstlernamens, sondern
auch in seiner Musik. Als er für die Aufnahmen seiner aktuellen Platte "Between the
Mountain and the Moon" Musiker ins Studio holte, gab er ihnen folgende Direktive:
"Ihr seid nicht hier um Musik zu kreieren, ihr sollt Räume schaffen." Reduziert
auf ein Minimum gleiten die Lieder, in deren Kern immer noch Blooms angenehm angeraute Stimme
und seine Gitarre stehen, majestätisch dahin und beweisen Mut zur Lücke:
"Es ging mir nicht um Grooves, Klänge und Klangschichten." Im Gegenteil:
"Spiele nicht alles, was du spielen willst", lautete die Regel im Studio. "Die
Hörer übernehmen den Rest."
Das herzerweichende Duett "Love Is a Place I Dream Of" mit Irlands fast vergessener
Zauberstimme Sinéad O'Connor zeigt, dass Blooms Kalkül aufgegangen ist.
Spärlich perlen die Töne aus der Gitarre wie die letzten Tropfen eines warmen
Sommerregens vom frischgewachsten Lack eines Bentley, behutsam legt sich eine Nebelwolke
aus Streichern darüber, und in der Ferne zieht der zarte Hauch einer Mundharmonika vorbei.
"In manchen Augenblicken scheint überhaupt nichts zu passieren", sagt Bloom.
Das Stück lebt von solchen Momenten der absoluten Stille, aus der Ruhe zieht es seine Kraft.
Luka Bloom ist ohnehin ein Mensch, der für den Augenblick lebt: "Mit meiner Musik
versuche ich Momente festzuhalten, die mich stark berührt haben." Seine Stücke
sind Standbilder besonderer Befindlichkeiten, die der Hörer mühelos nachempfinden kann.
Live funktioniert das mitunter sogar besser als vor dem heimischen Plattenspieler, wie der
Sänger zuletzt unterm Sternenhimmel des Hamburger Planetariums bewies. Eine Gitarre
und seine charismatische Stimme - mehr braucht der irische Magier nicht. Bleibt nur zu hoffen,
dass er beim nächsten Transatlantik-Flug neben uns sitzt und ein traurig-schönes
Schlaflied singt.
Luka Bloom gastiert heute um 20 Uhr im Hamburger Audimax.
www.welt.de/data/2002/02/15/
Neue Westfälische, Bielefeld - 27.11.2002
November-Songs
Der irische Liedermacher Luka Bloom wärmte im Forum Herz und Seele
Bielefeld - Typen wie Luka Bloom erinnern irgendwie immer an die Jungschar. Damals
gehörte einer mit Gitarre um den Hals an das Lagerfeuer wie das heimliche Zigaretterauchen
aufs Mädchenklo. Die Lieder hießen "Leaving on a Jetplane" oder "Country
Roads", eingängige Melodien für Herz und Seele mit englischen Texten als sanfte
Revolte gegen "Mundorgel" und Konsorten.

Ganz schön frech: Luka Bloom ist ein Folksänger der etwas anderen Art
Beim Auftritt des irischen Songwriters im Forum wurde schon am Eingang deutlich, dass die weiße-Tauben-Aura der
Folkmusik in den letzten zwei Jahrzehnten wenig Federn lassen musste. Gleich im Eingang gabs eine Leseprobe für den
"Folker!" - ein Magazin für Folk, Lied und Weltmusik - mit einem Luka-Bloom-Special samt Zitat:
"Wenn die Welt Krieg führt, müssen wir mehr Musik machen."
Derart eingestimmt, harrte man der Lieder, die da kommen sollten. Und ließ sich an diesem Novemberabend nur allzu gerne
in den Bann ziehen von einem Mann, der dazu bestimmt zu sein scheint, ein warmes Licht in diese dunkle Jahreszeit zu tragen.
Natürlich und sympathisch kommt der 47-jährige Ire daher; seine politische Korrektheit ist wohltuend unmissionarisch
und seine Lieder erzählen von den wirklich wichtigen Dingen im Leben: Liebe, Schmerz und Hoffnung - der Mann hat
Erfahrung.
Auf seine Folk-Vergangenheit wollte Luka Bloom ab Mitte der 80er Jahre eigentlich gar nicht mehr angesprochen werden. Viele
Jahre war er unter seinem bürgerlichen Namen Barry Moore als "Irish Folkie" durch die Clubs und Pubs getingelt,
immer im Schatten seines großen Bruders Christy Moore, der auf der Grünen Insel bereits zu Lebzeiten zur Volkslegende
geworden war. Die Enge und Verfilzung der irischen Folkszene trieb ihn oft außer Landes, doch für eine richtige
Solokarriere fehlte ihm, anders als seinem Bruder, zunächst an Charisma - von seinen Alben nahm jedenfalls kaum jemand
Notiz. Der Versuch, seine Kränkung mit Alkohol zu kompensieren, endete wie bei so vielen in Sucht und Krankheit. Moore
fand schließlich die Kraft, sich aus der Abhängigkeit zu lösen, konzentrierte sich auf sein Engagement in der
irischen Anti-AKW-Bewegung - und zu unser aller Glück auf die Musik.
1987 sagte Barry Moore Dublin Lebewohl und siedelte nach New York über. Dort legte er sich seinen neuen Namen zu,
"Luka" in Anlehnung an einen Song von Suzanne Vega, "Bloom" entlehnte er der Hauptfigur aus James
Joyces "Ulysses". Lebenserfahrung, Weisheit und Gelassenheit sprechen heute aus den Liedern und Kommentaren
des irischen Barden, der mit seinem aktuellen Album Between the Mountain and the Moon ein Meisterwerk mit
ausschließlich eigenem Material vorgelegt hat.
Bloom, der bereits mit den Violent Femmes und den Pogues tourte, steht jenseits des Prinzips Folkmusik für eine Kultur von
Liedermachern, die ihre eigenen Lieder machen.
Review und Foto: Nicole Hille-Priebe
© Neue Westfälische, Bielefeld
Artikel von Gudrun Schnitker
Mannheimer Morgen - 28.11.2002
"Ich mag Menschen und ihre Geschichten"
Luka Bloom aus Dublin kommt in den Heidelberger Karlstorbahnhof
Heidelberg - Luka Bloom braucht nicht viel, um in seinem Element zu sein. Eigentlich ist es nur die
Gitarre in den Händen. Alles Weitere - Strom, Technik, eine Band - kann hinzukommen, muss aber
nicht. Bloom ist ein hervorragender Gitarrist, doch vor allem ist er Geschichtenerzähler.
Lou Reed nannte den Iren gar einen der besten lebenden Songwriter. Dennoch hat der 47-Jährige
nichts von einem Altmeister. Dafür wirkt er zu wendig, zu neugierig - und zu bescheiden.
Vor einem Jahr hat der Songpoet sein sechstes Soloalbum vorgelegt, doch ist er darauf stolz wie ein
Debütant. "Ich habe es allein aufgenommen - ohne Plattenfirma", erzählt er im
Gespräch mit dem "Morgen Magazin". "Daher war es ein ganz besonderes
Projekt für mich."
Für "Between the Mountain and the Moon" hat sich Bloom nach mehr als 30 Jahren
Musikerdasein wieder in die Independent-Szene begeben - eine Reaktion auf den Frust mit seiner
früheren Plattenfirma, dem Sony-Konzern, der den ruhigen Musiker fallen ließ.
Zwei Jahre hat er an neuen Songs gefeilt, die ihm nun erstmals "selbst gehören":
"Ich habe mir Zeit genommen, ging einige Tage ins Studio, machte Pause, um Geld mit Konzerten
zu verdienen, und ging wieder an die Arbeit." Was anstrengend klingt, entpuppte sich für
den Musiker als befriedigende Zeit: "Es war eine gute Zeit und im Grunde ganz einfach."
So klingen die neuen Songs denn auch. Sie sind von jener Natürlichkeit, mit der Bloom einst
Rap in seinen Akustik-Folk integrierte - als sei dies eine selbstverständliche Kombination.
Diesmal finden sich neben leichten Gitarrenpickings afrikanische Trommeln, Akkordeon und
Mariachi-Trompeten - irischer Folk ist da nur ein Strang unter vielen.
Entsprechend weiträumig singt Bloom von Fremden und Freunden, die ihm auf Reisen, in
Büchern oder vor der Haustür in Dublin begegnen. Politisches überlässt er
anderen. "Ich bin ein einfacher Mann", sagt der Sänger. "Und ich mag
Menschen und ihre Geschichten." Kein Wunder, dass der Sympath mit dem prallvollen
Tourplan eingeschworene Fans in Europa, Amerika und Australien hat. Für die sind Blooms
Konzerte wie einen alten Freund zu treffen.
Luka Bloom: Donnerstag, 28. November, 21 Uhr, Heidelberger Karlstorbahnhof.
~Ulrike Rechel
www.morgenweb.de
Südwest Presse - Ulmer Kulturspiegel - 29.11.2002
Die Band bin ich und die Gitarren
Interview mit Luka Bloom
Luka Bloom zählt zu den bekanntesten und eigenwilligsten Songwritern Irlands. Udo Eberl sprach mit dem Musiker, der
heute, Freitag, 20 Uhr, im Roxy spielen wird.
Wissen Sie schon, welche Songs Sie im Roxy spielen werden?
LUKA BLOOM: Nein, keine Ahnung. Ich plane meine Shows nie im voraus. Ich gehe auf die Bühne und lasse mich von der
Stimmung inspirieren. Das ist für mich so, als würde ich mich im Café mit Freunden treffen. Da wird ja auch nicht
vorher abgemacht, über welche Themen man redet.
Aber Sie werden doch auch Stücke Ihrer immer noch aktuellen CD "Between
the Mountain and the Moon" spielen?
BLOOM: Bestimmt, aber auch Songs von älteren Platten und Stücke, die von mir noch gar nicht
aufgenommen worden sind.
Kommen Sie mit Band ins Roxy?
BLOOM: Ich bin die Band. Ich, meine drei Gitarren und ein großer Sound. Man wird eine Band bestimmt nicht vermissen.
Kaum zu glauben, denn auf CD sind Ihre Songs oft sehr aufwendig orchestriert.
BLOOM: Das stimmt, aber auf der Bühne und im Studio, das sind zwei völlig unterschiedliche Geschichten.
Das Konzert ist ein eher intimes Erlebnis, bei dem die Stücke auf das Wesentliche reduziert werden. Im Studio
habe ich die Möglichkeit, ein akustisches Statement abzugeben und alles aus den Songs herauszuholen.
Um was geht es in Ihren Texten?
BLOOM: Ich bin kein politischer Songwriter. Ich beschäftige mich in meinen Songs mit den ganz normalen
Problemen und Themen von ganz normalen Menschen.
Erstaunlich ist, dass Sie trotz Ihres Sounds auch viele Rockfans begeistern.
BLOOM: Wer mich schon live erlebt hat, den wundert das nicht mehr. Ich bin ja durchaus auch von Rock,
Reggae oder HipHop beeinflusst. Ich bin Ire, und schon deshalb offen für alle musikalischen Einflüsse.
Sie spielen auf Ihrer Tournee bewusst in Clubs, bestehen aber auf ein absolutes Rauchverbot -
und das als Ire. Wie kommt das?
BLOOM: Ich spiele 40 Konzerte am Stück. Da muss ich mich und meine Stimme einfach schützen.
~Udo Eberl
© Südwest Presse - Ulmer Kulturspiegel
www.suedwest-aktiv.de/region/swp_ulm/ulmer_kulturspiegel
Basler Agenda - Nr. 48 - Donnerstag, 5. Dezember 2002
Singer/Songwriter und wandelndes Kleinunternehmen: Luka Bloom
Selbst ist der Mann
Zehn Jahre können einen Menschen stark verändern, ohne dass diese Verschiebungen in seiner
Persönlichkeit und seinem OElig;uvre im ersten Augenblick auffallen würden. 1992 ritt der irische
Singer-Songwriter Luka Bloom auf einer Erfolgswelle, seine ganze Gangart liess Optimismus verspüren.
Nach mageren Wanderjahren in seinem Heimatland war er 1987 in die USA ausgewandert und hatte sich dort
einen Namen als feuriger und zugleich einfühlsamer Einzel-Performer gemacht, mit seinem 92er-Album
"The Acoustic Motorbike" hatte sich Bloom perfekt zwischen Melancholie und Frohsinn platziert,
und seine folkige Interpretation von LL Cool J's Rap-Ballade "I Need Love" wurde verdientermassen
zum Radio-Hit für Schlaue.
Bereits 1995 geriet Blooms Aufstieg aber ins Stocken, als seine Partner beim Multi Warner das Interesse
an ihm verloren und das Album "Turf" durchfallen liessen. Ein neuer Vertrag mit dem Sony-Konzern
verlängerte die geschäftliche Durststrecke um weitere Jahre, aber inzwischen hat Bloom die
Konsequenzen aus dieser dürren Zeit gezogen. Seit dem Coverversionen-Album "Keeper Of
The Flame" (2000) ist er seine eigene Plattenfirma und finanziert seine Studio-Sessions selbst,
damit er die Vergabe der Lizenz- und Vertriebsrechte an seinen Platten selbst bestimmen kann, wenn
er die Musik nicht gleich direkt übers Internet verkauft.
Kräftiger, selbstbewusster
Mit dem Laptop in der einen Hand und der Klampfe in der anderen ist dieses wandelnde Kleinunternehmen auf
steter Konzertreise und vermag auch seine alte Mischung aus Humor und Nachdenklichkeit auf die Bühne
zu bringen.
Dass er seine Karriere selbst in die Hand genommen hat, lässt sich auch an seiner Musik, an seinem
ganzen Auftreten ablesen: Blooms Stimme ist kräftiger und selbstbewusster geworden, sein
Gesprächsstil forscher, und auch seine Songtexte auf dem aktuellen Werk "Between
The Mountain And The Moon" sind direkter als früher. Zehn Jahre können einen
Menschen unmerklich, und doch entscheidend verändern: Der Singer/Songwriter
Luka Bloom ist dafür das beste Beispiel.
Basel, Atlantis, Sonntag, 8.12., 21 Uhr.
~Nick Joyce
© Basler Agenda - Dezember 2002
Wochenzeitung für Veranstaltungen, Freitzeit und Kultur
Hamburger Morgenpost - 23. April 2003
Bloom, Schweiß, Tränen
Der rührende irische Songwriter Luka Bloom spielt heute in der Fabrik
Da steht er. Mutterseelenallein auf der riesigen Bühne einer Konzerthalle. Ein großer
Blumenstrauß und ein paar Ständer mit akustischen Gitarren, sonst gibt es keinerlei
Ablenkungsmöglichkeit für die Anwesenden. Doch die rund 2000 Menschen im Amsterdamer
"Carre" wollen, ja können gar nicht anders, als andächtig zu lauschen. Denn der
schmächtige Mann füllt mit seiner warmen Stimme und dem kraftvollen Spiel nicht
nur den Saal, sondern auch ihre Gedanken.
Nachzuhören ist dieses Event auf Luka Blooms vergangene Woche erschienener,
nach der niederländischen Metropole benannten Live-CD. Rechtzeitig zum Release
schenkt der nach seinem Umzug aus den USA nun wieder in Dublin ansässige Ire
seinen hiesigen Fans eine solche magische Nacht. Heute spielt er, der Bruder
der Folk-Legende Christy Moore, in der Fabrik.
Wer schon einmal eines seiner Konzerte erlebt hat, weiß, dass bei "Sunny Sailor Boy" -
geschrieben von Waterboys-Sänger Mike Scott - Gänsehaut unvermeidlich ist.
"Delirious" hingegen führt zu Schweißausbrüchen, während bei
"Gabriel" irgendwo im Auditorium ein paar dicke Tränen der Rührung fließen werden.
Mopop meint: Unbedingt hingehen!
~Oliver Kube
www.mopo.de/archiv/2003/20030423/
Jazz Dimensions - Oktober 2003
Luka Bloom - "Keep it simple"
Einst ein überzeugter Fingerpicker, mußte Luka Bloom Anfang der 80er diesen Stil
aufgeben und sich aufs Strumming verlegen - eine heftige Sehnenscheidenentzündung
veränderte alles. Seitdem entwickelte Luka nicht nur eine andere Technik, sondern auch
das Zentrum seiner Songs verlagerte sich stärker in Richtung tiefschürfender, aber
allgemeinverständlicher Texte.
Mit "Amsterdam" legte Luka Bloom kürzlich das erste Live-Album seiner nunmehr
bereits zwanzigjährigen Solokarriere vor – als Musiker unterwegs in anderen Formationen
oder mit seinen Brüdern ist er allerdings bereits seit 1969. Obwohl er seit vielen Jahren
in Sachen Umwelt und Politik engagiert ist, sieht er sich genausowenig als Protestsänger
wie als Vertreter der Irischen Folktradition im klassischen Sinne. Eine stilistische Einordnung
empfände er auch als einengend, meint er – viel lieber bezeichne er sich selbst nur
als "ein Troubadour mit Gitarre"...
Carina: Amsterdam ist die erste Live-Aufnahme, die du jemals veröffentlicht hast.
Warum hast du dich entschlossen, nach so vielen Studioalben doch eine Live-CD
herauszubringen? Gab es eine spezielle, magische Atmosphäre an diesem Abend?
Luka: Nun, der letzte Teil deiner Frage beantwortet das auf gewisse Weise bereits.
Ich hatte in der Tat eigentlich nie vorgehabt, eine Live-Platte zu veröffentlichen.
Das hört sich im Nachhinein vielleicht ein bißchen borniert an, oder? Ich erkenne
jetzt jedenfalls, daß ich damit falsch lag. Schon seit Jahren betteln alle: mach
doch bitte mal eine Live-CD! Vielleicht ist das so, weil für die Meisten der Zugang
zu meiner Musik eben über meine Liveauftritte geschieht - Leute kommen zu
meinen Gigs und kaufen anschließend erst meine Platten. Es lag also eigentlich
auf der Hand, davon mal einen Live-Mitschnitt zu veröffentlichen.
Aber, wenn es darum geht, das Offensichtliche zu erkennen, bin ich nie besonders
schnell. Vielleicht bin ich irgendwie ein bißchen begriffsstutzig ... (kokettiert damit)
Aber auf jeden Fall liegst du da richtig - in Amsterdam ist etwas Besonderes passiert.
Ich habe zu der Zeit eine Menge Shows mitgeschnitten - hatte darüber nachgedacht,
einige B-Seiten oder Bonustracks für ein Studioalbum daraus zu erhalten. Aber als ich
dann das Material von dem Konzert in Amsterdam gehört habe, wurde mir klar, daß
ein Live-Album dieses einen Abends etwas ganz Einzigartiges sein würde. Schon
allein deswegen würde es sich von anderen abheben, weil die meisten Live-Alben
heutzutage aus mehreren Konzerten zusammengeschnitten sind. Dies hier ist
wie ein Schnappschuss, die Momentaufnahme eines Abends.
Carina: Was hat letztendlich heute mehr Bedeutung für dich – die Texte, die
du als Songwriter schreibst oder sie auf der Gitarre auszudrücken?
Luka: Gute Frage. Ich für mich glaube, die Lyrics sind das Herz von allem. Ich
schreibe nicht extrem viele Lieder - allein deswegen, weil, wenn ich nicht etwas
wirklich wichtiges zu sagen habe, ich auch tatsächlich nicht daran interessiert bin,
es zu äußern. Ich bin vielleicht nicht der überaus produktive Songwriter,
aber alle Lieder, die ich singe, sind mir wichtig. Und sie sind mir nicht wichtig wegen der
Akkorde oder dem Rhythmus. Nun, zugegeben, manchmal steh' ich auf den
Rhythmus – aber worauf es mir wirklich ankommt, ist die Botschaft. Ich versuche
etwas mitzuteilen. Ich versuche, mit den Leuten zu kommunizieren und ich
möchte bei ihnen etwas bewirken. Weißt du, Nina Simone, die gerade vor
kurzem gestorben ist - ihre Songs haben mich tatsächlich beeinflußt. Ihre Art,
wie sie gesungen hat. Das hat mich wirklich bewegt und berührt. Und ich will
versuchen, selbst ein bißchen was in der Richtung zu schaffen.
Carina: Du benutzt mehrere, auch verschiedene, Gitarren und nimmst manchmal
drei oder vier mit auf die Bühne. Einfach als Ersatzgitarren?
Luka: Gitarren sind Persönlichkeiten! Und jede Gitarre, die ich jemals hatte,
hat die Art und Weise verändert, wie ich singe, wie ich komponiere. Die Instrumente
beeinflussen mich. Ich habe eine schwarze Gitarre und eine weiße Gitarre - beide
aus der gleichen Produktionsserie. Sie stammen beide von der Firma Alvarez aus
St. Louis und sehen - abgesehen von der Farbe - genau gleich aus. Aber sie
haben dennoch total verschiedene, absolut gegensätzliche Persönlichkeiten.
Die weiße nenne ich meine "Reggae-Song-Gitarre" - sie hat einen
wunderschönen, dunklen Rhythmussound. Die schwarze dagegen klingt, warum
auch immer, ungeheuer ausgewogen, eignet sich hervorragend für Balladen.
Kürzlich habe ich übrigens angefangen, ein wenig auf einer klassischen
spanischen Gitarre zu spielen. Auch das hat mich wieder verwandelt, das ist einfach
großartig. Jede weitere Gitarre bedeutet eine neue Herausforderung und neue
Probleme, die gelöst werden wollen.
Carina: Du hast ein Lied gegen den Krieg im Irak geschrieben - ein persönliches,
unpolitisches Lied, wie du das genannt hast. Die private, persönliche Meinung und
Politik – wie weit kann man sie tatsächlich auseinanderhalten?
Luka: Im Gegensatz zu Woody Guthrie, der ja auch ein außergewöhnlicher
Mann war, schreibe ich keine Songs über "Themen". Ich wache nicht morgens
auf und sage: ich denke, ich schreibe jetzt mal einen Song über den Irak oder so. Das ist
nicht meine Herangehensweise. Aber wenn etwas in der Welt vorgeht, was mich betrifft,
dann kann ich manchmal nicht anders und muß einfach einen Song dazu schreiben,
das passiert einfach! – Aber das ist dann ein persönlicher Song. Ich glaube nicht,
eine Patentlösung zu haben, um diese Welt zu einem besseren Ort zu machen. Denn
ich bin genauso Teil des Problems wie jeder andere auch, ich fahre ein Auto, ich
verbrauche irakisches Öl, was auch immer. Somit bin ich einfach selbst Teil des
Problems. Und von daher achte ich sehr darauf, nicht zu predigen. Es ist ungeheuer
wichtig für mich, nicht zum Dogmatiker zu werden. Ich mag Dogmen nicht - ich
fühle mich unwohl mit ihnen.
Und ich habe auch nicht das Gefühl, daß ich als Songschreiber dafür
verantwortlich bin, die Welt zu retten. Ich habe genug damit zu tun, mich selbst zu retten.
Das ist der Grund, warum dies ein sehr persönliches Lied ist – und der Grund, daß
ich es so genannt habe: "I am not at war with anyone". Und es ist komisch,
weil ich diesen Song ja nie wirklich veröffentlicht habe. Nur weil ich ihn auf meine
Website stellte, haben ihn sich Leute in ganz Amerika heruntergeladen. Und die Menschen
haben festgestellt, daß er genau beschreibt, was sie fühlen: Ich will keinen
Krieg - die meisten Leute in Amerika wollen keinen Krieg. Aber andererseits wollen sie
auch nicht von jedem x-beliebigen hören, wie böse Amerika doch sei ... Ich
versuche stets, alles auf die persönliche Verantwortung zu reduzieren. Meine
persönliche Verantwortung ist es, zu sagen, was ich empfinde. Aber das ist
die einzige Verantwortung, die ich habe.
Carina: Wie würdest du selbst deine Musik definieren – ist es eine
"Luka Bloom"-Mischung aus etwas Irischem Folk und vielem anderem?
Luka: Ich denke in diesem Sinne nicht viel über meine Musik nach, oder wie
sie einzuordnen ist. Ich frage nicht, ob das jetzt schwarz, weiß, rot oder grün
ist. Ob es Irisch ist oder Amerikanisch. Das ist nicht meine Art zu denken.
Ich halte mich einfach für jemanden, der sich sehr, sehr glücklich schätzen
kann, nicht arbeiten zu müssen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen (lacht).
Und es ist schon klasse, sein Leben mit Singen zu verbringen. Aber man sollte so
etwas bloß nicht anfangen zu analysieren, genau das versuche ich zu vermeiden.
Denn je mehr ich über die Natur, das Funktionieren meiner Musik herauszufinden
versuche, desto mehr entferne ich mich gleichzeitig von ihrem Zentrum, ihrer Seele.
Und diese Seele ist das was zählt. Die bestimmt, was ich bei der Musik empfinde
und was man aus meinem Gesang hört. Ich würde niemals wegen der Karriere
versuchen, einer Schublade gerecht zu werden, in die ich vielleicht passe. Ich
habe keinen blassen Schimmer, ob ich ein Folksänger, ein Rocksänger oder ein
Post-Punk-Sänger bin. Interessiert mich auch gar nicht: Ich 'bin' einfach!
Carina: Deine Texte handeln vom täglichen Leben, von gewöhnlichen Menschen,
die mehr oder weniger heldenhaft handeln. Du berührst selten direkt gerade aktuelle
Themen. Was erregt deine Aufmerksamkeit, bringt dich dazu, darüber ein Lied zu
schreiben?
Luka: Ich liebe die Alltagshelden, die 'unsung heroes' - mit anderen Worten, die
gewöhnlichen Leute. Genau die Art von Leuten vielleicht, die mir zuhören und
darüber nachdenken. Möglicherweise sogar sehr aufmerksam. In meinen Songs
ist viel die Rede von Bäumen und Wasser und solchen Sachen - aber es steckt
eine menschliche Geschichte in jedem Song. Es ist etwas über den Menschen
an sich in jedem Lied. Etwas über Freundschaft, über einfache Werte, die mir
etwas bedeuten.
Und ich liebe die Herausforderungen des Lebens, ich mag die Art und Weise wie
sich verschiedene Leute ihr entgegenstellen. Und darüber schreibe ich. Das kann
ein Song werden, wie jener über eine Gruppe von Teenagern in Lausanne, die zu
Weihnachten aus Spaß von einer Autobahnbrücke sprangen – einige von ihnen
waren tot. Schlimme Sache! Oder aber ein Song wie "Love is a place I dream
of", zu dem mich eine außergewöhnliche Dublinerin namens Christine Nobel
inspiriert hat. Sie hatte selbst eine entsetzlich schwere Kindheit und hat dann später
ihr Leben der Arbeit mit heimatlosen Kindern in Vietnam gewidmet. Ein sehr einfaches
Lied ist das, dieses "Love is a place I dream of". Aber es ist ein Song, der
mir sehr viel bedeutet.
Carina: Das Songwriting besitzt in Irland eine lange Tradition. Siehst du selbst dich
dieser Tradition irgendwie verbunden? Wie sieht es mit der jüngeren Generation aus?
Luka: Junge, Junge, zur Zeit ist in Irland in dieser Beziehung geradezu eine Revolution
im Gange. In den 70ern hat jedermann Eagles-Covers gesungen, in den 80ern haben
sich alle ein Delay-Pedal gekauft und versucht, die nächsten U2 zu werden. Und in
den 90ern begann diese Periode - nennen wir sie mal die 'post-unplugged'-Generation – ,
wo eine Art von neuen Songschreibern zum Vorschein kam. Kleine Clubs, Sänger –
Leute, die aussahen wie Eddie Vedder mit akustischer Gitarre.
Und einige von ihnen haben sich zu sehr talentierten, sehr begabten Musikern
ausgewachsen. Großartig. Ich meine wirklich, wirklich großartig! Ich selbst
sehe mich nicht so sehr als Teil davon, aber in den letzten 30 Jahren haben in Irland
so viele Leute angefangen Songs zu schreiben, wie nie zuvor. Wir mögen also
vielleicht nicht so viele Gehirnchirurgen oder Raketentechniker haben - aber im
Singen, Songschreiben, Krach machen und damit Leute ärgern sind wir ziemlich
gut ...
Interview: Carina Prange
www.jazzdimensions.de